Eva Romanski

Der achtgliedrige Pfad des Patañjali

Der achtgliedrige Pfad des Patañjali (Weg des aṣtaṅga yoga II, 28 – III,10)

 

Bei dem achtgliedrigen Pfad von Patañjali handelt es sich um eine Sammlung von Sutren, die den Weg des Yoga aufzeigen. Sutra bedeutet Faden. Es handelt sich bei den Yoga-Sutren also um kurze prägnante Sätze, die dem Yogi als Leitfaden dienen. Diese Textsammlung ist sehr wahrscheinlich um 400 vor Christus entstanden. Ob sie tatsächlich nur von einer Person, nämlich von Patañjali, stammt, ist nicht sicher.

Auch wenn diese Textsammlung nicht zum klassischen Hatha – Yoga gehört, ist sie dennoch sehr wertvoll und reich an Erkenntnissen.

Hier findet sich direkt zu Beginn die Definition zum Yoga: „Yoga ist, wenn der Geist zur Ruhe kommt.“ – kurz und prägnant formuliert, so ist dies leichter gesagt als getan.

Deshalb führt Patañjali in weiterem auf, welchen Weg der Yogi beschreiten sollte, um in diese Ruhe finden zu können.

Er zählt hierzu auf:

  1. yama – die sozialen Verhaltensregeln
  2. niyama – die persönlichen Verhaltensregeln
  3. āsana – wie der Yogi seinen Meditationssitz einzunehmen hat
  4. prāṇāyāma- wie der Atem erfolgen sollte
  5. pratyāhāra – den Rückzug der Sinne
  6. dhārana – Konzentration
  7. dhyāna – die Meditation und
  8. samādhi – tiefe Versenkung

 

Der Weg führt vom Äußerem immer mehr ins Innere. Zunächst gilt es, dass sich der Yogi in der Außenwelt gewissen sozialen Regeln, den yamas, unterwirft. Besonders erwähnenswert ist hier sicherlich der Grundsatz von „ahimsa“ – dem Grundsatz der Gewaltlosigkeit. So spielte dieser Grundsatz in der politischen Unabhängigkeitsbewegung Indiens für Mahatma Gandhi eine große Rolle. Aber auch im kleineren privaten Rahmen mag dieser Grundsatz Anlass sein über sein Verhalten im Alltag nachzudenken; bspw. über den Konsum von Fleisch, insbesondere wenn den Tieren erhebliches Leid durch Haltung und Schlachtung zugefügt wird. So verwundert es nicht, dass sich viele Yogis aufgrund des Grundsatzes von ahimsa vegetarisch oder vegan ernähren. Auch wenn dieser Grundsatz sicherlich nie lupenrein zu leben ist und wir alle eben nicht perfekt sind, so lohnt es sich, sein Handeln immer mal wieder unter diesem Aspekt zu hinterfragen, ganz für sich im stillen Kämmerlein. Diese Verhaltensregeln haben keinen missionarischen Charakter. Sie dienen dem Yogi allein für seine Einkehr.

Darüber hinaus gibt es die persönlichen Verhaltensregeln (Reinheit in Körper und Geist, Studium der yogischen Schriften u.a.). Hier halte ich „saṃtosa“, die Zufriedenheit, für besonders erwähnenswert. Yoga ist eine Arbeit des Bewusstseins. Man kann sich hinterfragen, ob das Glas immer halb leer oder doch eher halb voll ist. Es geht nicht darum, sich die Dinge schön zu reden; sondern vielmehr darum, bewusst wahrzunehnen, welche Ressourcen jedem zur Verfügung stehen, also auf das Gefüllte im Glas zu schauen.

Hat der Yogi sich dieser Regeln bewusst gemacht, so mag er sich in einen meditativen Sitz begeben. Asana bedeutet ja zunächst nichts anderes als Sitz. Dieser Sitz soll stabil und zugleich leicht sein, gut geerdet und aufrecht („sthira-sukham-āsanam“). Auch dies ist leichter gesagt als getan. Hierzu benötigen wir hinreichend Flexibilität (in den Hüften) und Kernmuskulatur für die Aufrichtung. Hier ist also Körperarbeit gefragt.

Hat der Yogi in diesen Sitz gefunden, so gilt seine Aufmerksamkeit dem Atem (prāṇāyāma). Zunächst lässt er den Atem los (prāṇa ayama). Denn das Zwerchfell soll locker mitschwingen können. Oftmals ist der Atem im Alltag viel zu flach, so dass erst einmal der losgelassene Atem bewusst praktiziert wird. Dann übernimmt der Yogi sanft das Steuer für die Atmung (prāṇa yama): Der Atem wird von seiner unregelmäßigen Hektik befreit und geht lang und fein (dῑrgha-sūkṣma).

Nun zieht sich der Yogi in sein Inneres zurück wie eine Schildkröte in ihren Panzer. Er verschließt (sinnbildich) all seine Sinnesorgange, die das Äußere wahrnehmen (Rückzug der Sinne = pratyāhāra).

Er fokussiert seinen Geist auf etwas Bestimmtes (Kerzenlicht, ein Gedanke, ein mantra …). Dies wird als „dhāraṇā“ bezeichnet. So gelangt er immer mehr in einen meditativen Flow (dhyāna = Meditation) und mag zuweilen in einen Zustand der tiefen Versenkung (samādhi) gelangen.

Die letzten Stufen sind eher ein Geschenk, was sich zeigt, wenn man die ersten fünf Stufen immer wieder praktiziert. Und immer dran denken: Nobody is perfect.

Viel Spaß beim Praktizieren.